„WIE WIR UNSER HIRN BESSER NUTZEN“ 
Das Beste, Reader’s Digest,  Ausgabe Dezember 2006

Wieso hat man ein besseres Sprachverständnis, wenn man musiziert?

Weil zum Beispiel beim Rhythmus­lernen die gleichen Hirnstrukturen involviert sind wie beim Sprachenlernen. Das heisst, Sie trainieren ihr Sprachareal quasi gratis mit, wenn Sie Musik machen. Und solche Transfer­Effekte gibt es viele. Darum werden Schüler automatisch auch in anderen Fächern besser, wenn sie in der Musik Fortschritte machen.

Weshalb gibt es diese Transfer-Effekte gerade bei der Musik?

Weil beim Üben so viele verschie­dene Dinge gleichzeitig beansprucht werden. Wenn ein Kind ein Instrument lernen will, muss es sich regelmässig zusammenreissen und konzentrieren. Es braucht Aufmerksamkeit und Selbstdisziplin. Überdies muss es lernen, Musikphrasen abzuspeichern und auswendig zu spielen; so wird das Arbeitsgedächtnis trainiert. Und dann fördert Musik auch die Leistungsmotivation.

Warum?

Weil wir mit der Zeit merken, dass wir mit viel Einsatz und Konzentra­tion etwas hervorbringen können, das sich schön anhört. Das ist ein wunder­bares Ereignis - und wir empfinden Stolz. Stolz ist die schönste Emotion überhaupt. Die können wir uns nämlich nur selbst schenken. Fürs Glück reicht ein Sechser im Lotto. Stolz gibt es nur, wenn man etwas dafür tut. Stolz motiviert, man steckt sich ein noch höheres Ziel, und wenn man es erreicht hat, ist man abermals stolz und schraubt seine Ansprüche nochmals hoch. Stolz ist ein Ansporn zum stetigen Weitermachen.

Was wir nicht verstehen. Die von Ihnen genannten Faktoren gibt es doch nicht nur in der Musik. Aufmerksamkeit, Auswendiglernen. Disziplin: Das trainiert man doch auch beim Theaterspielen.

Teilweise schon. Theaterspielen hat ja auch einen positiven Effekt - nur ist der nicht so gross wie bei der Musik. Theaterspielen fördert etwa den IQ nur halb so stark wie Musizieren. Der Grund ist: Beim Theater kommen Sie viel schneller zu einem Erfolgserleb­nis. Das tägliche Üben, bei dem man sich sukzessive hoch kämpfen muss und das eben so motivierend wirkt: Das ist in der Musik viel intensiver als beim Theater.

Wie steht es mit Sport?
Wir haben eine Studie mit Eisho­ckeyspielern gemacht. Die können sich sehr gut konzentrieren und haben eine grosse Leistungsmotivation, was ihnen auch in Schule und Beruf Zugute kommt. Das Arbeitsgedächtnis hingegen wird durch Eishockey nicht trainiert. Diese Vielfalt positiver Effekte gibt es wirklich nur bei der Musik.